Buchtipp: “Thinking, Fast and Slow”

Von Daniel Kahnemann; Penguin Books; 2012

Daniel Kahnemann erhielt 2002 den Wirtschaftsnobelpreis für seine Forschungen zur Verhaltensökonomik, die er seit den 1970er-Jahren vor allem zusammen mit Amos Tversky durchgeführt hat. Im Zentrum dieser Forschungen steht ein Modell der menschlichen Entscheidungsfindung, das nicht nur auf einer kühlen Abwägung von Kosten und Nutzen nach Art eines völlig rationalen Home oeconomicus basiert, sondern auch zahlreiche kognitive Verzerrungen berücksichtigt, welche die Forscher bei echten Menschen in sorgfältig durchgeführten Experimenten beobachtet und nach Art der Wirtschaftswissenschaftler in mathematische Modelle gefasst haben.

Kahnemanns Buch “Thinking, Fast and Slow”, das sich rasch zu einem internationalen Bestseller entwickelt hat, beschreibt nicht nur die revolutionären Ergebnisse dieses Forschungszweigs, sondern schildert auch die Wege und Irrwege, auf denen diese Ergebnisse erzielt wurden. Das ist an sich schon sehr interessant, um so mehr aber, als man den beschriebenen kognitiven Verzerrungen nur allzu leicht selbst unterliegt und hofft, ein besseres Verständnis dieser Denkfehler könne vielleicht helfen, sie künftig zu vermeiden.

Das ist allerdings leichter gesagt als getan, wenn Kahnemann recht hat und die kognitiven Verzerrungen das Produkt weitgehend automatisierter Vorgänge sind, die uns schnelle Entscheidungen unter Ungewissheit ermöglichen und die eine lange Evolutionsgeschichte tief in uns verankert hat.

Wenn wir kognitive Verzerrungen vermeiden oder überhaupt erst einmal bemerken wollen, müssen wir dagegen die Mühsal des “langsamen Denkens” auf uns nehmen, das durch Logik, Wahrscheinlichkeitsrechnung und ähnliche Zumutungen einen ungetrübteren Blick auf die Entscheidungssituation und die verfügbaren Alternativen ermöglicht. Kahnemann illustriert das zum Beispiel am Gesetz der kleinen Zahl.

Wem das Buch von Kahnemann zu umfangreich ist, der kann viele der darin beschriebenen Denkfallen auch im kurzweiligen Buch von Rolf Dobelli finden: “Die Kunst des klaren Denkens. 52 Denkfehler, die sie besser anderen überlassen” (Hanser Verlag 2011).

Und wem das Buch von Kahnemann nicht reicht, dem sei “Rationality for Mortals” empfohlen mit dem Untertitel “How People Cope with Uncertainty” (Oxford University Press, 2008). Darin setzt sich Gerd Gigerenzer, Kognitionspsychologe und Direktor des Harding-Zentrums für Risikokompetenz an der Universität Potsdam, kritisch mit den Hypothesen Kahnemanns auseinander, indem er den adaptiven Vorteil des “schnellen Denkens” betont: Außerhalb des Labors erweisen sich laut Gigerenzer viele kognitiven Verzerrungen des “schnellen Denkens” als erstaunlich nützlich oder waren es zumindest lange Zeit während der Evolutionsgeschichte des Menschen. Auch Gigerenzer ist aber davon überzeugt, dass wir kognitive Verzerrungen möglichst vermeiden sollten, wenn wir verantwortungsbewusst Entscheidungen treffen wollen in unserer heutigen unübersichtlichen Welt.